Neulich sagte mir jemand, dass ich wie ein Wirbelwind durch mein Leben gegangen sei und das beschäftigt mich ein wenig. Ist das wirklich so?
Ich habe euch ja bereits erzählt, dass ich Ende der 50er geboren wurde, also schon über 60 Jahre alt bin. Als ich zu arbeiten anfing, war das in einer Zeit, in der Frauen im ländlichen Raum üblicherweise zu Hause blieben, sobald Kinder unterwegs waren. Aber ich hatte andere Vorbilder. Schon meine Großmutter hatte drei Kinder und einen Ehemann und arbeitete bis zu ihrer Rente! Meine Mutter und auch ihre Schwester waren beide erwerbstätig und versuchten sich in der Emanzipation. Für mich stand schon sehr früh fest, dass ich mein Leben auf jeden Fall finanziell unabhängig von einem möglichen Ehemann und einer Familie sichern wollte. Tatsächlich hat es sich auch so entwickelt. Ich habe von Anfang an im Job Gas gegeben und konnte einen erheblichen Teil zu unserem gemeinsamen Leben beitragen. Ich habe in all diesen Jahren auch viel Care-Arbeit übernommen, obwohl das nicht hätte sein müssen, dazu war mein Mann viel zu emanzipiert. Tatsächlich hat meine Zeit nicht für alles gereicht und manches fällt mir noch heute auf die Füße!
Nur wenige Frauen in meinem Umfeld hatten Verständnis für meinen Ehrgeiz und meine Haltung. Die meisten zogen es vor, sich ins Private zurückzuziehen sobald ihre Zukunft durch Heirat und Kinder gesichert schien. Ich habe in vielen Jahren gemerkt, dass ich für sie ein Außenseiter war. Aber das soll jetzt hier nicht das Thema sein. Vielmehr ging es ja um den „Wirbelwind“!
Rückblickend war es wohl tatsächlich so, dass ich ein hohes Tempo haben und enorme Energie aufwenden musste, wenn ich den Beruf mit meinen Kindern und meiner Ehe unter einen Hut bringen wollte. Arbeiten in den 80ern und 90ern hieß in den meisten Fällen: Vollzeit Stellen mit bis zu 40 Stunden. Wer im Job vorankommen wollte, musste sich besonders anstrengen. Der Chef war der Chef, im wahrsten Sinn des Wortes. Männlich und er hatte immer und überall recht. Teilzeit Stellen gab es nur ausgesprochen wenige, die Geschäfte schlossen alle um 18h00 und samstags sogar um 13h00. Mobile Erreichbarkeit und Onlinedienste? Noch lange nicht entwickelt. Dazu Kindergärten, die erst um 08.30 öffneten und um 16.30 schlossen. Nicht falsch verstehen! Das soll hier keine Beschwerde werden. Ich will nur aufzeigen, wie „wirbelwindartig“ man als berufstätige Hausfrau und Mutter in diesen Zeiten die Haushaltsführung sichern musste. Meine Entscheidung zur Unabhängigkeit hat erwartungsgemäß allen etwas abgefordert: Meinem Ehemann, unseren Kindern und mir selbst. Manches, was mir heute auf die Füße fällt, hat vielleicht seinen Ursprung in diesen Jahren.
Heute beobachte ich immer mal wieder Familien, die sehr gleichberechtigt alles unter einen Hut bringen oder bringen wollen. Ihr Weg ist ein anderer als meiner. Aber ich bewundere sie für den Elan und die Energie, mit der sie das angehen und fühle mich dann nicht mehr so allein mit meinem Wirbelwind.